Mich hat schon lange kein Produzent so sprachlos gelassen wie der 18-jährige Kai Whiston aus einer kleinen 7000-Seelen-Stadt im Südwesten Englands. Es sieht so aus, als hätte dieser Junge seine gesamte Kindheit mit nichts anderem als seinem Laptop und Musikproduktionsprogrammen verbracht (bei der neuen Generation vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich) – und dabei einen schon fast gruselig reifen, erhabenen Sound entwickelt. Er debütierte im letzten Jahr mit der „Houndstooth EP“ auf dem TAR Label aus Los Angeles. Mit „Fissure Price“ hat Kai Whiston am 21. Juli bereits seine zweite EP veröffentlicht, diesmal auf dem Ninja Tunes-Ableger Big Dada.
„Fissure Price“ (übrigens ein Wortspiel mit dem Namen der berühmten Kinderspielzeug-Marke) bietet uns 6 ganz unterschiedliche Tracks. Der erste, „Pushchair“, ist von einem schweren, wabernden Bass unterlegt, der sich mit den ausgefeiltsten Dubstep-Tracks messen lässt. „Vein Cloak“ dagegen mutiert ab der Hälfte nahezu zu einem Maximal Electro-Track, so wie man sie aus den guten alten Zeiten kennt. Die Reise geht weiter mit „Erroll“, dem wohl verrücktesten Beitrag auf der EP: Whiston schwenkt hier von Hardstyle- zu Downbeat-Elementen. Und wer dachte, wir haben nun noch nicht alle alternativen Richtungen der elektronischen Musik durch: „Icarus“, auf denen MC Buchanans Stimme dahingleitet und Trostlosigkeit verbreitet, und „Den“ schimmern in schrägen Ambient-Sounds. Der beste Track für mich ist jedoch „Throat Behaviour“, den besonders Trap-Fans lieben dürften. Der Bass fegt einen regelrecht vom Sofa, gleichzeitig ist der Track – wie die restlichen fünf auch – auf eine ganz eigene Art sehr melodisch. Dabei passieren aber in jeder einzelnen Millisekunde mindestens drei Dinge gleichzeitig. Einerseits hat man das Gefühl, von den vielen schnatternden, auf einen einprasselnden Klängen ganz verrückt zu werden – andererseits hat man das Bedürfnis, aufspringen und dazu tanzen zu müssen.
Kai Whiston selbst sagt, dass Musik für ihn Realitätsflucht ist – und mit seiner neuen EP verfällt man dank der dunklen, dämonischen Beats tatsächlich in eine Art Schockstarre und vergisst alles um einen herum. Jeder Track hat eine sehr dichte Soundpalette, die einen voll und ganz einnimmt.
Das sehr passende, einzigartige Artwork zu der EP gibt es übrigens vom aufstrebenden Künstler Sam Rolfes.